Gelingende Würfe


Interessantes Video: Auf der englischsprachigen Homepage "ALL ABOUT PÉTANQUE" ist, ausgehend von der augenfälligen Verwandschaft zwischen Pétanquewurf und Basketballfreiwurf (Der Wurf als Sequenz), ein Video verlinkt, das viele Teilgebiete des Boulelexikons streift: Unter Mitwirkung des Ex-Profis Steve Nash, dem es während seiner Karriere gelang, 90,43% aller Freiwurfversuche erfolgreich im Korb unterzubringen, werden hier Faktoren gelingenden Werfens durchdekliniert.

Deshalb, und weil einige Lexikonartikel hierdurch einen sinnvollen Zusammenhang erhalten, wird das Video hier vorgestellt und mit entsprechenden Links versehen: 

 

So wird in dem Film darauf verwiesen, dass es der ganze Köper ist - begonnen mit den Fußspitzen - der am Wurf beteiligt ist . Der Spieler muss das rechte Bewegungsmuster und die ideale Körperspannung finden (BallanceHochportée). Zudem sollte er sämtliche überflüssige Bewegungen vermeiden, sowie die dann verbleibende Bewegung vollkommen fließend und mit minimalem Kraftaufwand umsetzen (Der richtige SchwungSchweizer Taschenmesser). Freilich kann das nur gelingen, wenn ein Spieler fleißig trainiert und wenn er zudem auch noch das richtige auf die richtige Weise übt: Fleißig trainieren bedeutet, über einen längeren Zeitraum (eigentlich permanent) ernsthaft und motiviert das Bewegungsmuster zu üben, bis es vollständig automatisch abläuft - bis gelungene Würfe reproduziert werden können und sich nicht einfach nur willkürlich irgendwann einstellen (Üben oder nicht üben?Fortschritt & Stagnation). Steve Nash berichtet, er habe sich auch vor den Spiel immer wieder die Zeit genommen, sich in Freiwürfen zu üben und sogar kurz vor der Aktion mit dem Ball in der Hand versucht, sich in die Bewegung hineinzufühlen [1] (Matthäus-Effekt). Richtig üben bedeutet aber auch, die im Wettkampf vorherrschenden Bedingungen möglichst nachzustellen, in denen man, anders als beim Solotraining, aufgeregt ist (Übungen); von Personen beobachtet wird, denen man etwas beweisen will und in denen es gilt, eine bestimmte Zielmarke unbedingt zu erreichen. All dies kann zu dem Phänomen "CHOKING UNDER PRESSURE" [2] führen und ist der Grund, warum Trainingsleistungen regelmäßig die dann im Wettkampf erbrachten Ergebnisse erheblich übertreffen. In solchen Drucksituationen widmet man der Frage, wie man etwas tut, meist viel zu viel Aufmerksamkeit (Bewegungen bewirken).

 

Die Physik des Wurfes kommt ebenfalls zur Sprache: Es sind die Faktoren Geschwindigkeit (Zwei Schusstile)Abwurfwinkel (Erfolgszone), vertikale Abweichung (Fehlwürfe lesen) und Drall (Drall ff.), die das Wurfergebnis bestimmen. Untersuchungen ergaben, dass ein idealer Bereich für den Abwurfwinkel existiert, der zu dem charakteristischen Bogenwurf führt: Bleibt der Spieler zwischen 45° und 53° hat er beste Chancen. Freilich zählen derartige physikalsiche Zusamennenhänge zu jener Art von Wissen, die man sich dringend aneignen, während des Wurfes aber auch tunlichst wieder vergessen sollte [3]. Interessant ist, dass eine "App" existiert (HOMECOURT), mittels derer sich Basketballspieler per Smartphone filmen können und die in der Lage ist, die geworfenen Bögen im Nachhinein anschaulich zu visualisieren. Sicher wäre eine technische Umsetzung dieser Technik für Pétanquespieler von allergrößtem Nutzen. 

 

Zum Video   

 

[1] Steve Nash gibt den interessanten Hinweis, dass Visualisierungstechniken (Die Macht der Bilder) nur eine Möglichkeit seien, sich durch eigens bewirkte Vorstellungen auf den Wettkampf vorzubereiten. Aus seiner Sicht sei es jedoch erfolgversprechender, sich immer wieder mit dem Ball - in Vorbereitung der eigentlichen Aktion - in die richtige Bewegung hineinzufühlen.

Tatsächlich sind die positiven Wirkungen eines "Vorstellungstrainings" mittlerweile wissenschaftlich gut belegt. Dabei wird eine Verbesserung der Bewegungskoordination durch Anwendung bestimmter Mentaltechniken erstrebt; ebenso sind aber positive Wirkungen auf Konzentration, Motivation, Selbstvertrauen, Emotionalität etc. zu erwarten. Im Bereich der Bewegungskoordination scheinen bestimmte Personen empfänglicher für Techniken reinen Visualisierens zu sein, während andere besser auf ein kinästhetisches Vorgehen ansprechen. Letztere können also ihr Körper- und Bewegungsempfinden verbessern, indem sie bestimmte Bewegungen probeweise ausführen, wie es ja in dem Ratschlag von Steve Nash zum Ausdruck kommt. Auch die hochklassigsten Pétanquespieler sieht man während Wartezeiten stets die Kugeln in irgendeiner Weise bewegen, was sicherlich nicht nur der Nervosität geschuldet ist, sondern dem Erhalt eines speziellen Gefühls für Körper und Sportgerät dient. Nicht selten sieht man auch Schützen auf dem Weg in den Kreis Probeschwünge ausführen - also kinästhetisch trainieren. (Eine gute Einführung in die Aspekte des Vorstellungstrainings bietet: https://www.spowi.hu-berlin.de/de/institut/sportpsychologie/fuer-die-praxis/vorstellungstraining-1 

Anmerkung:  Bereits seit einiger Zeit existiert im Boulelexikon ein Artikel, der sich mit Möglichkeiten beschäftigt, Verbesserungen der Wurfgenauigkeit über ein bewusstes Hineinfühlen in den Bewegungsablauf zu erlangen: Kugelgefühl

Später kam dann ein Artikel hinzu, der sich eng an eine Dissertation anlehnt, die zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommt: Körpergefühl

[2] Das Phänomen der erhöhten und schädlichen Selbstaufmerksamkeit in Drucksituationen wird häufig unter dem Begriff "Choking under Pressure" abgehandelt.

 

Siehe beispielsweise: http://lexikon.stangl.eu/6572/choking-under-pressure/

[3] Nach einer Bouleweisheit, deren Nutzen man nicht hoch genug einschätzen kann, sollte man danach streben, zunächst alles über Pétanque zu wissen, und sich dann bemühen, alles wieder zu vergessen.