Pétanque wird auf jedem Boden gespielt


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"Interessanter Boden - Saugut!"

Es ist seit Alters her ein guter Brauch, dass Pétanque auf wirklich jedem Boden gespielt wird. Ob loses Gestein oder tiefer Kies, ob karstige Steinfelder, trockener Schlamm mit Fahrzeugspuren, ob abgesteckte Bahnen oder "Terrain libre", ob Lehm, Kreide, Sand oder Betonreste, ob mit Kronkorken, Glassplittern, Zigarettenfiltern oder Vegetation versehen, ob mit Lindensamen bestreut, mit Blättern oder Rispen bedeckt, ob mit Eicheln, Bucheckern oder Kastanien belegt, oder den Feuerwerksresten der Silvesternacht, ob festgetretener Schnee, durchnässte Rotasche oder "Permafrost" mit Eisinseln, Pétanque wird auf wirklich jedem Boden gespielt. Es ist daher auch die strategische, taktische und technische Flexibilität, in der die wahre Kunst des Spielers zum Ausdruck kommt und nicht die Spezialisierung auf bestimmte Umstände und Verfahrensweisen.

Während andere Sportarten immer ein vorbereitetes Terrain benötigen, um professionell betrieben werden zu können, kennzeichnet das Fehlen dieser Notwendigkeit den Pétanquesport. Drei Kugeln und ein Schwein, mehr braucht es nicht. Schon wird jeder staubige Parkplatz und jeder Parkweg zum Spielfeld. Diese Einfachheit, durch die eine unglaubliche Vielfalt an Situationen geschaffen wird, erzeugt die Faszination, die dieses Spiel auszeichnet.

 

Im Pétanque ist allerdings häufig von "leichten" und "schwierigen" Böden die Rede. Spieler, die schon einige Boulejahre auf dem Buckel haben, verschmähen glatte und homogene Böden und bevorzugen steinigen und donnéearmen Grund. Dieser bringt, so meinen sie, ihre Kunst besser zur Geltung. So scheinen denn die "leichten" Böden fast eine Ausnahme zu bilden und die einzigen zu sein, die gemieden werden.

 

Nun ist es keine Frage, dass bestimmte Böden dem einen Spieler liegen, dem anderen aber buchstäblich Steine in den Weg legen. Fraglich ist jedoch, was man aus dieser Tatsache ableitet. Ist es nicht immer der Gegner, der das Spiel schwer macht? Sind es nicht die Umstände, denen man sich anzupassen hat? Ist ein Boden wirklich schwer, der nur wenige Données aufweist, die aber sämtlich bekannt sind weil man schon 10 Jahre darauf spielt? Entbehren die Spiele, in denen praktisch jede gute Kugel geschossen wird, nicht jeglichen Raffinements, obwohl oder gerade weil sie von hohem technischen Können geprägt sind? Geht nicht auch dadurch manchmal der Pfiff in einem Spiel verloren, weil gutes Schießen eben der Notwendigkeit enthebt, sich intensiv mit dem Boden zu befassen?

 

Ein glatter und homogener Boden kommt sicher Anfängern entgegen, weil sie dort sehr viele Données finden und auch nach Gefühl spielen können. Sogenannten "Profis" fällt es dann manchmal schwer, diese zu besiegen. Eine Niederlage der selbsternannten "Meister" wird dann auf den "Kullerboden" geschoben - eine wenig professionelle Erklärung. In Wahrheit hat man einfach so weitergespielt, wie immer und wundert sich später, dass der Erfolg ausbleibt. Ist das nicht genau die Verfahrensweise der Anfänger?

 

 

Ein glatter und homogener Boden verlangt bestimmte Techniken und in besonderem Maße eine Anpassung der Taktik. Er ermöglicht es, dass Kugeln in einer sagenhaften Präzision gespielt werden. Er entwertet Kugeln, die eng am Schwein und eng beieinander liegen, weil die Situation durch aggressives Legen und Flachschüsse zu entschärfen ist. Ein "leichter" Boden führt dazu, dass man eben nicht die wenigen gut gelegten Kugeln "wegballert" und das Spiel auf diese Weise gewinnt, weil vermutlich immer eine weitere Gute nachgelegt wird. Er verlangt ein eigenes und fundiertes Vorgehen. In jedem Falle aber gilt: Ein Duell in Feingefühl kann auch großer Sport sein.

 

Wenn du verlierst, sei wenigstens so professionell,

es nicht auf den Boden zu schieben!

 

Thorsten


Anmerkung: Das "Gemaule" über "exotische" Böden ist eine Konstante im Boulesport. Den einen sind steinige Böden zu schwierig, den anderen sandige Böden zu einfach. Bestimmte Felder produzieren angeblich gar zu viele Zufallsereignisse [1]. Dabei ist die Herausforderung grundsätzlich stets dieselbe: Gleich auf welchem Geläuf gespielt wird, muss eine möglichst gute Kugel gespielt werden, worauf es dann an der anderen Mannschaft ist, zu entscheiden, ob diese durch Legen übertroffen werden soll, oder durch einen Schuss zu entfernen ist. Was dabei variiert, ist lediglich die Entfernung besagter Kugeln zum Cochonnet. Auf bestimmten Böden kann eine über meterweit entfernte Kugel durchaus der Attacke wert sein, während auf anderem Grund eine nur wenige Zentimeter entfernte Kugel von Legern noch mehrfach übertroffen werden kann. Spielkunst lässt sich nicht in Entfernungsangaben messen, sie besteht in der Fähigkeit, das Spiel zu lesen, richtig zu entscheiden, und erfolgreich zu handeln. Das ist stets gefragt, gleich wo man spielt. 

 

[1] Von Zufallsereignissen ist immer nur dann die Rede, wenn Kugeln aus nicht sogleich ersichtlichen Gründen spektakulär verspringen. Ist aber das winzige Sandkorn, dass eine Kugel einen Millimeter zu kurz blieben lässt, oder um ein Geringes ablenkt, nicht ein ebensolches "Zufallsereignis"? 


Bild von Wolfgang Eckert auf Pixabay