Der Coup


Mit dem Wort "Coup" wird eine Aktion benannt, die unerwartet durchgeführt wird und mit beträchtlichem Erfolg endet, was allerdings selten ohne Hinnahme eines gewissen Risikos möglich ist. "Husarenstück" ist eine gute Entsprechung.

Der Coup bildet ein wichtiges Element in Spielen, wo es darum geht, durch besonderes Geschick einen Erfolg zu erzielen, der normalerweise nur durch Einsatz größerer Ressourcen denkbar wäre; wenn wagemutig auf eine Außenseiterchance gesetzt wird; oder wenn es gilt, den Gegner durch überraschende Aktionen auf dem falschen Fuß zu erwischen.


Pétanquepartien können sich in recht vorhersehbaren Bahnen bewegen. Meist sind das dann Legeduelle, in denen jeder damit zufrieden ist, am Ende der Aufnahme einen Punkt auf der Habenseite verbuchen zu können. Dynamischer geht es hingegen zu, wenn Spieler mit Spielvermögen und Verständnis das volle Spektrum der erzielbaren Punkte ins Visier nehmen. Dann wird versucht, den Gegner in wenigen Aufnahmen zu überwinden und die Partie mit einem Minimum an Kräfteeinsatz zu entscheiden – der Coup als Idealbild einer Aufnahme.

 

Das Anstreben von Coups ist grundsätzlich sinnvoll, weil eine Gewöhnung an diese Spielweise es erlaubt, auch höhere Rückstände schnell aufzuholen; Spiele zügig und kraftsparend zu gewinnen und dem Gegner die Planung seiner Vorgehensweise zu erschweren. Zudem zwingt sie zur Anwendung höherer und schwierigerer Spieltechniken und zu tieferer taktischer Durchdringung des Spieles.

 

In Boulepartien werden sich nun ohnehin Aufnahmen einstellen, die einer der Seiten Punkte in Fülle bescheren. Der entscheidende Punkt liegt jedoch darin, sie nicht als Zufallsereignisse einfach hinzunehmen, sondern willentlich zu bewirken. Das Streben nach dem Coup ist ein Motor der spielerischen Entwicklung [1].

 

Typische Situationen, die sich für Coups eignen, sind folgende:

 

Barriere – Effet

Team A musste zur Defensive übergehen und legt eine Barriere von Kugeln in der Hoffnung aus, Team B werde zur Beseitigung der Hindernisse einige Kugeln verbrauchen, die am Ende nicht das Habenkonto mehren. Auch könnten die Hindernisse – unabsichtlich angespielt – ihre Position verbessern. Überraschenderweise geschieht nichts von alledem, denn Team B umgeht die Barriere und legt mittels Effet alle noch vorhandenen Kugeln in die Punktzone.

 

Ballung – Schuss

Nach Sauziehen liegt das Cochonnet in einem Feld von Kugeln, die sämtlich Team A gehören und sich dicht ballen. Es sind mehr als Team B noch Kugeln zu spielen hat. Gegen das Herkommen greift Team B dennoch an und setzt dabei auf die Möglichkeit, per Kettenreaktion mehrere Kugeln zu beseitigen. Solches geschieht auch und durch sauberes Nachschießen sieht Team B plötzlich nicht nur alle Gegnerkugeln im Aus liegen, sondern sich selbst im Besitz jener Punkte, von denen sich das Schweinchen schon abgesetzt hatte.

 

Durchschießen

Team A legt Punkt um Punkt in einer Weise, die Team B nur mit Schüssen beantworten kann, was es auch erfolgreich tut. Die Angriffskugeln bleiben auf dem Spielfeld, während ihre Ziele es verlassen. Team B gibt nicht dem Ansinnen nach, man müsse legen, denn der Gegner platziere sich ohnehin immer wieder günstig. Vielmehr spielt es die Sequenz folgerichtig zu Ende und mehrt Punkte und Selbstvertrauen.

 

Leergespielt – Sauschuss

Team A hat, nachdem es mehrfach vergeblich durch legen versucht hatte, den Punkt zu markieren, auf die günstige Lage der eigenen Kugeln bauend, erfolgreich einen finalen Schuss gewagt. Nun ist das Schwein von eigenen Kugeln umzingelt. Team B – mit vielen Kugeln auf der Hand – strebt das Maximum an und verwirft das Schießen für Raum ebenso wie das Legen. Es schießt das Cochonnet ins Aus, das getroffen einen Kometenschweif an Punkten mit sich führt.

 

Leergespielt – Schuss auf die eigene Kugel

Team B hat eine Kugel direkt vor die Sau gespielt, sodass beide sich berühren. Team A scheitert mit Angriffen und legt weitere Kugeln sehr eng in das Bild, bis es keine mehr hat. Kaltblütig schießt Team A auf die eigene Kugel, wodurch diese sich bald zusammen mit dem Cochonnet im leeren hinteren Bereich des Spielfeldes wiederfindet, wo sie Gesellschaft nicht lange entbehren muss.

 

Dem Gegner mit leichter Hand viele Punkte zu nehmen, ist vordergründig eine Frage der Taktik. Vor allem anderen bedarf es hierzu aber der richtigen inneren Einstellung. Die Bereitschaft und das Vermögen zu Coups müssen sich parallel entwickeln und werden sich gegenseitig befruchten. So wird das wagemutige Spiel zur Selbstverständlichkeit und ist überraschend erfolgreich.

 

Thorsten

 


[1] Das ist der Grund, warum dieser Artikel, obwohl viele taktische Hinweise enthaltend, in der Gliederung der Rubrik "Entwicklung" zugeordnet ist. Ein Spiel auf Coups hin auszurichten, ist zudem ein Beispiel für eine strategische Ausrichtung. 


Bild von Sasin Tipchai auf Pixabay