Der Siegeswille als Schwäche


"Wer nur um Gewinn kämpft, erntet nichts, wofür es sich lohnt zu leben."

                                                                   Antoine de Saint-Exupéry

 

In "Siegeswille und Spielkultur" wurde die Notwendigkeit betont, ein Spiel wirklich gewinnen zu wollen. Des Gesagten eingedenk, kann eine zu starke Siegfixierung jedoch auch Schwächen bergen. Nimmt ein Spieler den Sieg zu wichtig, wird er möglicherweise jede Niederlage als Demütigung empfinden und versuchen, sie um jeden Preis zu vermeiden. In kritischen Situationen scheitert er dann an schwierigen Würfen, weil die Angst vor der drohenden Niederlage ihm die Lockerheit nimmt.

 

Man muss die Möglichkeit der Niederlage innerlich akzeptieren, um frei aufspielen zu können. Nicht das Erleiden einer Niederlage ist entscheidend, sondern die Art und Weise. Es existiert ein übergeordnetes, den profanen Sieg überragendes Ziel. Dieses besteht darin, einen guten Kampf zu liefern. Bei genauerer Betrachtung wird letztlich gespielt, um diesen guten Kampf zu erleben. Andernfalls wäre es sinnvoll, ausschließlich gegen Anfänger anzutreten. 

 

Im Spiel bei weitem nicht alles, der Siegerkranz. An ihn zu denken bewirkt, dass er eines anderen Stirne krönt.
Im Spiel bei weitem nicht alles, der Siegerkranz. An ihn zu denken bewirkt, dass er eines anderen Stirne krönt.

Wer ernsthaft und engagiert kämpft, der kann zwar unterliegen, seine Niederlage wird aber stets ehrenvoll sein und nichts Demütigendes kann ihr anhaften. Wer einen guten Kampf liefern will, der wird in sich auch die Freiheit finden, schwierige Würfe im rechten Moment auszuführen. Das Denken kann sich dann allein auf das Gelingen des Wurfes ausrichten und muss sich nicht mit dem Ausgang das Spiels beschäftigen. Ein guter Kampf und eine hohe Spielkultur sind übergeordnete Werte, die letztlich alle bereichern. Ein Spieler, der gelernt hat, die Dinge so zu sehen, genießt den Moment der Entscheidung und fürchtet ihn nicht.

In diesem Sinne ist es hilfreich, gelungene gegnerische Aktionen nicht zu bedauern oder gar zu beklagen. Man sollte sie innerlich begrüßen, weil ein Sieg, der durch des Gegners Unvermögen erreicht wurde, mit Sicherheit weniger wiegt, als eine Niederlage, deren Ursache allein in dessen Könnerschaft gründet. Wirklich gelungene Aktionen sind Geschenke an alle Beteiligten, sie adeln das Spiel.

 

Ein sehr erfahrener Spieler berichtete, er fahre nie zu Turnieren, um diese zu gewinnen. Die Vorstellung, in jedem Spiel siegen zu müssen, sei ihm fremd. Sein Ziel sei es, möglichst auf einen besseren Gegner zu treffen und diesem ein gutes Spiel zu liefern. Indem er solchermaßen die Möglichkeit der Niederlage zunächst akzeptierte, gewann er im Laufe der Zeit tatsächlich viele Turniere. Welch vorbildliche Einstellung!

 

 

"Und auf dem höchsten Thron der Welt sitzen wir nur auf unserem Arsch."

Michel de Montaigne

 

Thorsten


Bild: Pflanze unbekannter Art, gefunden in einer Felsspalte im Vorharz. Der Wuchsform nach, hegt sie Ambitionen, die in Richtung "Lorbeerkranz" weisen. Nachtrag: Mittlerweile bin ich mir recht sicher, dass es sich um eine "Zaunrübe" handelt.