Konsumstreik


Der Boulesport ist eines der letzten Refugien der Konsumverweigerung. Während rings um jene, die das Schwein jagen, dem Gotte Mammon reich gehuldigt wird, spielen die Boulejünger Jahrzehnte mit denselben Kugeln, lassen Cochonnet und Maßband stets von anderen mitbringen - wer immer die auch sein mögen - und üben sich bei Turnieren in der Kunst der Autarkie, indem sie ihr Geld prinzipiell nicht jenen frühkapitalistischen Geschäftemachern in den Rachen werfen, die voll der Gier versuchen, es mit geschmierten Brötchen, Selbstgebackenem und handgebrühtem Kaffee heimtückisch aus den Portemonnaies zu locken.

 

Das wirkt natürlich, wie aus der Zeit gefallen und wäre wenig hip, hätten nicht einige "Hipster" ihre Liebe zu den skurrilen Klamotten längst vergangener Zeiten entdeckt, mit der sie die Gegenwart ironisch zu kommentieren pflegen. Der Boulist ist wirklich leicht mit diesen Trendsettern zu verwechseln, teilt er doch deren groteskes Äußeres und übertrifft es sogar. Im Gegensatz zum Hipster, trägt er jedoch seine Kleidung seit jenen verflossenen Epochen durchgängig, also im Zweifel seit Äonen.

 

Das ist nun merkwürdig genug, hat aber sicher seinen Grund. Es gibt einfach zu wenige Produkte, derer der Boulomane wirklich bedarf, weshalb seine Kauffreude schlicht verkümmert ist. Von der Industrie vergessen, hat er der Welt des Hökerns und Feilschens, des Raffens und Prassens schmollend entsagt: "Ade du schnöde (Konsum)welt, wenn du mich nicht willst, will ich dich auch nicht!"

Das darf nicht so bleiben! "Wir kriegen jeden", geloben die Produktdesigner. Bestimmt arbeitet irgendwo schon ein gewieftes Team an der Erfindung jener Produkte, derer sich auch der hartnäckigste Kugelasket nicht verweigern kann, die es aber leider (noch) nicht zu kaufen gibt:

 

Da wäre zunächst das Kugelpflegeset für den Spieler mit Stil. Lappen - das klingt so nach Hausputz und Abwasch, nach Gummihandschuh und Kehrwoche. Nein, da muss es schon ein edles Bürstenset aus provenzalischem Olivenbaumholz sein, bestückt mit dem Rosshaar wilder, mistralwindgekämmter Camarguepferde. Natürlich in mehreren Größen, von ganz schmal für die Rillen der Kugelgravur, bis groß und grob für die Endpolitur des liebsten aller Sportgeräte. Dazu natürlich ein Spezialpflegeöl, gepresst aus Südfrankreichs besten Oliven, rein biologisch, handwerklich erzeugt und "extra vergine".

 

Da schnöder Geiz den Boulisten notorisch davon abhält, einen der längst feilgebotenen Fertigkreise zu erwerben, müssen zusätzliche Kaufargumente her. Das Schonen der Schuhe zieht nicht recht, denn diese vor jähem Verschleiß zu bewahren, bedient sich der Profi ohnehin der Füße des Neulings, dem listig mit dem Legeramte auch die Plicht des Kreisziehens aufgebürdet wird. Besser wäre die Weiterentwicklung des Produktes. Zu denken ist da an den Einbau einer Laufschrift, welche blinkend die Antwort kündet, auf jene beim Petanque häufigst gestellte Frage: "Wie steht es eigentlich?" Im Extremfalle könnte gar, alternierend zur Spielstandanzeige, eine weitere Information dargeboten werden. Bei dieser handelt es sich um die Beantwortung der zweithäufigst gestellten Frage und die zugehörige Laufschrift lautet: "HIIIIIIER liege ich doch, du Depp"!!!!!!"

 

Weiterhin wären da  eine Schaufel, deren Zweck mit dem Ausheben der Grube, in die man selbst zu fallen gedenkt, nicht erschöpft ist. Es könnte damit ebenso jenes Loch gegraben werden, in dem man versinken möchte, weil unfassbarer Weise dieses längst gewonnene Spiel dennoch hergeschenkt wurde. Um es nicht zu profan zu gestalten, werden die Schaufeln in unterschiedlichen Härtegraden angeboten, von weich = 110 bis hart = 140, um jedem Terrain gewachsen zu sein. Selbstverständlich erhalten sie Gravuren und Riffelungen, passend zu Kugelaussehen und Nummerierung.

 

Ein Utensil darf jedoch in keiner Bouleausrüstung fehlen. Das ist der Knüppel aus solidem französischem Platanenholz, der zur prompten Beantwortung der schlimmsten Bouleplatitüden dient. Um Missverständnisse zu vermeiden, sind diese in das edle Holz des Schlagwerkzeuges eingeschnitzt und - gegen Aufpreis - beliebig zu ergänzen. Hier eine Auswahl aus der Grundausstattung: "Den habe ich drauf gesehen!"; "Da hätten wir lieber legen sollen!"; "Vom Kreis aus, haben wir den Punkt"; "Hat jemand was zu messen?"; "Wer weiß eigentlich, wie es steht?"; "Ist doch egal, wir wollen bloß Spaß haben".

 

Der Ideen wären noch viele, wie etwa die Lichtschranke mit schrillem Alarmton, zur Verhinderung des Kreisübertretens, oder eine Eichlehre zum Kontrollieren gegnerischer Messinstrumente, zwei Utensilien deren Einsatz die Schar der Freunde gewiss mehren wird. Das Weihnachtsfest steht vor der Tür, möge es das Letzte sein, bei dem Schlips und Socke den Gabentisch des Kugelenthusiasten verunzieren. Hoffen wir auf das kommende Jahr und die Produkte, die wir wirklich brauchen.

Frohe Festtage

 

Thorsten


Bild von Steve Buissinne auf Pixabay