Selbstvertrauen erwerben

- Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung -


Boule - Petanque / Tipps & Tricks
Alles bereit, doch das Wichtigste fehlt

Bei sportlichen Wettkämpfen kann immer wieder beobachtet werden, dass Akteure eine bestimmte Leistung im entscheidenden Moment nicht erbringen, obwohl sie prinzipiell über die nötigen Fähigkeiten verfügen. Trotz scheinbar gründlicher Vorbereitung schwindet im Moment der Wahrheit das Selbstvertrauen. Das eigene Handeln wird durch mentale Prozesse gestört – durch das Empfinden von Unzulänglichkeit entsteht Stress, dessen Auswirkungen dann das befürchtete Scheitern erst recht begünstigen. Dieses zu verhindern darf das Training nicht allein auf körperliche Anforderungen abzielen, es muss ebenso auf die psychischen Herausforderungen vorbereiten, die der Wettkampf den Teilnehmern auferlegt – Vorbereitung muss wettkampforientiert sein [1].  

 

Eine wesentliche mentale Ressource ist das Selbstvertrauen, einer bestimmten Herausforderung gewachsen zu sein, oder, wie man es häufiger in wissenschaftlichen Veröffentlichungen liest, die Selbstwirksamkeitserwartung. Damit ist die Erwartungen einer Person gemeint, aufgrund eigener Kompetenzen gewünschte Handlungen selbst ausführen zu können.

 

Entscheidend ist dabei, dass es sich um Erwartungen handelt, die von den objektiven Gegebenheiten abgekoppelt sein können. Die Vermutungen können also sowohl sehr treffend als auch vollkommen illusorisch sein. Wie man sich allerdings denken kann, ist es eher von Nutzen, sich dabei leicht zu überschätzen.

Weiterhin ist von Belang, dass die Selbstwirksamkeitserwartung, abhängig von der konkreten Situation, Änderungen unterliegt. Das bedeutet, dass eine Handlung in einem bestimmten Umfeld keinerlei Probleme bereitet, während man in einem anderen Kontext an ihrer Ausführung scheitert.

 

Um das zu illustrieren sei folgendes Beispiel gegeben: Einer Person bereitet es keine Schwierigkeiten, auf einem Bordstein zu balancieren. Denkt man sich jedoch anstelle der Straße einen tiefen Abgrund, wird diese Person jede Lockerheit verlieren. Die Befürchtung zu stürzen wird ihr Denken bestimmen, sie wird sich instinktiv vom Abgrund abwenden und die Balance verlieren. Was eben noch so leicht war, gelingt nun nicht mehr – eine Erfahrung, die sicher jeder bereits in Prüfungen oder Wettkämpfen gemacht hat.

 

Zur Bewältigung einer solchen Herausforderung bieten sich grundsätzlich zwei Strategien an: Die Angst bekämpfen, indem man die Konsequenzen ausblendet (nicht in den Abgrund schauen) oder die Angst überwinden, indem man sich davon überzeugt, man werde es sicher schaffen (Die Herausforderung annehmen).

 

Nicht in den Abgrund schauen:

Eine Möglichkeit, besagte Schwierigkeiten zu überwinden, besteht im bewussten Ausblenden der zu gewärtigenden Konsequenzen. Dazu ist es ratsam, stets nur den nächsten Teilschritt in den Fokus zu nehmen, um nicht von der Last der Herausforderung erdrückt zu werden (siehe hierzu: "Selbstvertrauen bewahren").

 

Die Herausforderung annehmen:

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die eigene Erwartung zu stärken, die herausfordernde Aufgabe bewältigen zu können. Wer in diesem Bereich recherchiert, stößt unweigerlich auf das "Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung" (nach Bandura)[2], das in der Sportpsychologie große Verbreitung gefunden hat und vielfach wissenschaftlich bestätigt wurde[3]. Darin werden vier Möglichkeiten benannt, das "Selbstvertauen" zu stärken, die hier den Rahmen für die weiteren Ausführungen bilden sollen:

 

1. Erwerb eigener Erfahrungen

Die beste Möglichkeit, sich selbst davon zu überzeugen, eine Situation meistern zu können, ist das Erlebnis des Erfolges selbst – hiervon lässt sich künftig zehren. Es ist also sinnvoll, sich Prüfungen zu stellen um genau dieses zu erleben. Probleme mit dem Selbstvertrauen treten in Spielen auf, in denen man meint, etwas verlieren zu können.

 

Das kann die "vergebliche" weite Anfahrt zu einem Turnier sein, bei dem man dann früh ausscheidet, der Verlust an Renommee bei den Mitspielern, das Auslassen einer Chance, die nicht so schnell wiederkehren wird, oder das ungute Gefühl, "Schuld" an der Niederlage der Mannschaft zu sein.

 

Zu Trainingszwecken – gemeint ist hier immer das Training des Mentalen – ist es daher geboten, solche Situationen möglichst häufig zu suchen.

 

Das Spiel gegen irgendwie herausragende Kontrahenten, die man beeindrucken möchte ist dazu ebenso geeignet, wie das wettbewerbsorientierte Spiel, bei dem die Erfolge mehrerer Spiele aufgezeichnet und verglichen werden. Ebenso ist es möglich, sich beispielsweise bei Trainingsschüssen beobachten zu lassen, wobei die Leistungen notiert werden können (Prüfungssituation). Um den Druck zu erhöhen, können Ziele innerhalb der Mannschaft kommuniziert werden ("Das gewinnen wir zu Null"; "Wir schießen was kommt"). Dass sich ganz allgemein betrachtet, ein herausforderndes Umfeld positiv auswirkt, muss nicht weiter betont werden.

 

Wichtig ist dabei jeweils, die Schwierigkeit der Herausforderung nicht zu hoch anzusetzen, denn es geht darum, ein zwar halbwegs realistisches aber dennoch motivierendes Selbstbild zu erhalten. Macht man die Erfahrung der Niederlage, kann der beschriebene Prozess ins Negative umschlagen.

 

Das sprichwörtliche "dicke Fell" schirmt gegen die Folgen von Zerknirschtheit und Selbstvorwürfen ab. Immerhin stehen ja auch noch die Spielpartner oder die Umstände zur Erklärung etwaigen Scheiterns bereit – was einem freilich niemals über die Lippen kommen sollte. Mögen solche Ursachenzuschreibungen im konkreten Falle auch nicht zutreffen, so hilft doch der Glaube daran, das zarte Pflänzlein des Selbstvertrauens vor jähem Verdorren zu bewahren – man sollte sich hier also keine zu großen Beschränkungen auferlegen.

 

Fazit: Spieler müssen die mentale Fähigkeit, eine Leistung im entscheidenden Moment zu erbringen, ebenso trainieren, wie sie an ihrer Technik feilen. Sie müssen hierzu Situationen suchen, in denen es "um etwas geht", und sich auch in Spielen, in denen das objektiv nicht der Fall ist, herausfordernde Ziele setzen. Auf lange Sicht werden Erfolge immer weitere Erfolge zeugen.

 

2. Beobachtung und Nachahmung (stellvertretende Erfahrung)

Eine Stärkung des Selbstvertrauens kann sich auch einstellen, indem man andere Personen beobachtet. Diese fungieren dann als Modelle für das eigene Tun. Dabei ist es von Vorteil, wenn diese Personen einen Status vergleichbar dem eigenen aufweisen. Es geht dabei nicht um das Erkennen technischer Kniffe, sondern um das Gewinnen der Überzeugung: "Das kann ich auch".

 

Das Erlernen und Umsetzen bestimmter Spielweisen gelingt also dann besser, wenn sich im unmittelbaren Umfeld Spieler befinden, die gleiches versuchen, die eventuell nur einen Schritt weiter sind als man selbst und die untereinander ihre Erfahrungen kommunizieren. Vielen Menschen fällt es leichter, zumal wenn sie sich in fortgeschrittenem Alter befinden, das Richtige gemeinsam mit "Gleichrangigen" zu entdecken und sich mit ihnen gemeinsam auszuprobieren, als es von weit Fortgeschrittenen gelehrt und demonstriert zu bekommen.

 

Fazit: Eisenschuss und Hochportée bedürfen nicht allein einer ausgefeilten Technik. Sie im Wettkampf erfolgreich zu praktizieren muss noch eine gute Portion Selbstbewusstsein hinzukommen. Diese zu fördern ist ein Umfeld hilfreich, dass im oben beschriebenen Sinne beschaffen ist.

 

3. Bestärkung durch Andere

Ging es eben um die Selbsterkenntnis: "Das kann ich auch", so geht es nun um den von außen kommenden Hinweis: "Du kannst das". Personen, auf deren Urteil man etwas gibt, haben die Möglichkeit, das Selbstvertrauen eines Spielers positiv zu beeinflussen, indem sie ihn verbal bestärken oder demonstrativ mit schwierigen Aufgaben betrauen. Diffizil daran ist freilich, dass der Vertrauensvorschuss dann auch eingelöst werden muss, soll das Manöver nicht unglaubwürdig werden – Fingerspitzengefühl ist also gefragt. Spieler merken sehr schnell, ob es sich nur um den üblichen und floskelhaften "Allez-Ruf" handelt, oder ob ehrliche Überzeugung dahinter steckt, die tatsächlich dann auch den Rücken stärkt. Die verbale und nonverbale Kommunikation innerhalb der Mannschaft kann dem Spieler erhebliche Mengen an Selbstvertrauen bescheren oder auch rauben.

 

Wenn – konkret gesprochen – vor jedem Schuss erst lange diskutiert wird; der entschlossen in den Kreis gehende Tireur noch einmal gefragt wird, ob er denn wirklich jetzt schon schießen wolle, in der ganzen Mannschaft die Maxime gilt: "Nur keine Fehler machen", dann wird das sicher am Selbstvertrauen nagen und der Treffer nur sehr wenige einbringen. Wenn jedoch andererseits ein erfahrener Spieler den Neuling dann als Tireur einsetzt, wenn der Veteran darauf bauen darf, die Partie durch gutes Legen beherrschen zu können, werden die sich einstellenden Treffer dem "Tireur in spe" sicher einigen Auftrieb geben.

 

Fazit: Bestärkung durch andere ist ein wichtiger Quell, aus dem sich Selbstvertrauen schöpfen lässt. Dabei ist die Tat noch wichtiger als das Wort – Vertrauen will gelebt sein.

 

4. Erregungszustand

Die Wahrnehmung von Aufgeregtheit kann im Wettkampf dazu führen, dass sich folgender Gedanke einstellt: "Ich bin einfach zu nervös, um die nötige Leistung zu erbringen". Das normale Aufwallen wird dann leicht zur sich selbst erfüllenden Prognose des Scheiterns. Misserfolge werden die Nervosität erhöhen, die gesteigerte Erregung wird Erfolge verhindern – ein Teufelskreis.

 

Einerseits ist es dann hilfreich, schwierige Situationen bereits erfolgreich bestanden zu haben und sich dieser Ereignisse bewusst zu erinnern, was den "Circulus vitiosus" zu unterbrechen hilft, andererseits können bestimmte Beruhigungsmaßnahmen, wie etwa die Kontrolle der Atmung, die bewusste Entspannung der Muskulatur, oder geistige Ablenkung die Symptome lindern und damit die Überzeugung aufrechterhalten, der Situation gewachsen zu sein – genau auf diesen Glauben kommt es an.

 

Fazit: In einem schwierigen Wettkampf ist eine gewisse Nervosität normal bis förderlich. Der Spieler muss sich bewusst werden, dass er bereits früher von der inneren Anspannung profitiert hat, ja, ihrer bedarf, um wirklich die letzten Reserven zu mobilisieren. Er muss darauf vertrauen, über das nötige Rüstzeug zu verfügen, die Aufgeregtheit nicht so stark anwachsen zu lassen, dass sie das Spiel hemmt.

 

 

Boule - Petanque / Tipps & Tricks
Wasser auf die Mühle leiten

Das Selbstvertrauen ist eine wichtige Ressource, die vom Spieler bewirtschaftet werden kann. Wie der Betreiber einer Wassermühle nicht darauf vertraut, dass ihm der Bach immer genügend Wasser zuleite, sondern ein Reservoir anlegt, um das Nass dann zu nutzen, wenn die Arbeit anfällt, so muss auch der Spieler danach trachten, immer die nötige Menge Selbstvertrauen vorrätig zu halten, die es braucht, eine Prüfung dann zu bestehen, wenn sie ansteht. In der sengenden Sonne zu hoher Anforderungen kann das Selbstbewusstsein ebenso rasch verdunsten, wie es im schlecht gepflegten Leitungsnetz rasch versickert. Die Expertise des Wassermüllers beschränkt sich nicht auf die Handhabung von Hämmern und Räderwerk; mehr noch umfasst sie die Bewirtschaftung jener Kraft, die alles in Bewegung hält.

 

Thorsten


[1] Anhand des Vorhandenseins dreier Elemente lässt sich das Trainingsspiel vom Wettkampf unterscheiden:

- Wettkampfsituationen sind nicht wiederholbar

- Wettkampfsituationen gehen mit einer Prognose über das Ergebnis einher. Indem man einen bestimmten Spielausgang erwartet, wird die Grundlage dafür gelegt, später enttäuscht oder erfreut zu sein

-Wettkampfsituationen haben immer Konsequenzen

(siehe: Hans Eberspächer - Mentales Training - 8. Auflage, 2012 S. 31 f.)

 

Unter diesem Aspekt ist es durchaus hilfreich, bei Trainingsspielen jenen Ehrgeiz an den Tag zu legen, der,   mag er auch von manchen als übertrieben empfunden werden   die Grundlage von Emotionen wie Freude oder Betrübtheit, Zufriedenheit oder Frustration ist. Solche inneren Zustände werden sich in Wettkämpfen ohnehin einstellen. Besser lerne man beizeiten, sie zu handhaben.

 

[2] Zum Einlesen in das Konzept sei empfohlen: https://books.google.de/books?hl=de&lr=&id=dirH49AC_eAC&oi=fnd&pg=PA28&dq=selbstwirksamkeit+bandura&ots=DLPOIM3t56&sig=IGbCgdbm7ahk_uEKDKEQcPi7MhE#v=onepage&q=selbstwirksamkeit%20bandura&f=false

 

[3] Siehe beispielsweise: http://www.die-sportpsychologen.de/2015/08/25/dr-rene-paasch-selbstwirksamkeit-im-fussball/

 

Ergänzung: Dieser Artikel steht in enger Beziehung zu: "Selbstvertrauen II: Bewahren"

Mit dem Phänomen, dass eingetretene Erfolge sich günstig auf weitere Erfolge auswirken, beschäftigen sich die  Artikel: "Kann man siegen lernen?"und  "Der Matthäus-Effekt". Wesentlich dabei ist selbstverständlich das Anwachsen des Selbstbewusstseins.