Vorbereiten oder selber machen?


Qual der Wahl
Qual der Wahl

Im Fußball, diesem überpräsenten Ballsport, ist eine typische Situation den Kommentatoren ein Fest:

Zwei Angreifer sind in schnellem Konter aussichtsreich in den gegnerischen Strafraum vorgedrungen. Kurz vor dem Tor hat nun der ballführende Spieler die Wahl, selbst zu schießen oder zum Mitspieler zu passen. Bleibt der Erfolg aus, lautet der Kommentar, abhängig von der getroffenen Entscheidung, entweder "Da hätte er abspielen müssen!" oder "Den hätte er besser selbst gemacht!". Scheinbar ist die Analyse recht einfach, wenn auch – wie so häufig – erst im Nachhinein. Nie wird jedoch die Wahlmöglichkeit als Ursache des Scheiterns in Betracht gezogen. Gerade durch die sich bietende Alternative kann aber das Handeln jene Stringenz einbüßen, die allein zum Erfolg führt. Wir werden später darauf zurückkommen. 

 

 

Im Pétanque, jenem unterpräsenten Kugelsport, lässt sich diese Problematik ebenfalls entdecken. Auch hier müssen sich Spieler entscheiden, ob sie besser dem Mitspieler den Weg ebnen oder ihn selbst beschreiten. Das ist immer dann der Fall, wenn der Gegner keine Kugeln mehr hält und der Schütze sich fragen muss, ob er eine Kugel entfernen soll, die das eigene Team zwar nicht von einem weiteren Punkt trennt, den Raum für das Legen jedoch einengt.

 

Wird dabei die gegnerische Kugel überschätzt, verschwindet mit der Schusskugel ein potenzieller Punkt, der später fehlen mag. Wird sie unterschätzt, sind möglicherweise alle nun noch gelegten Kugeln vergeblich gespielt (Bastardsituation). Noch schwerer fällt die Entscheidung in der finalen Phase des Spiels. Fehlt nur noch ein Punkt zum Sieg, ist es weniger lohnend, den Raum zu vergrößern, denn von mehreren Versuchen muss nur einer gelingen, und der Sieg ist sicher. Nur diese Finalphase soll uns fortan interessieren[1]. 


Einfache Situation - schwierige Entscheidung: Abhängig vom Spielstand bieten sich unterschiedliche Taktiken an
Einfache Situation - schwierige Entscheidung: Abhängig vom Spielstand bieten sich unterschiedliche Taktiken an

Beispiel: Eine alltägliche Situation

Hat der Gegner keine Kugeln mehr und man selbst noch einige zu spielen, wäre es geboten, A zu entfernen. Erweist sich A nämlich wider erwarten als schwer zu übertreffen, stören die bereits gelegten eigenen Kugeln den Schützen möglicherweise bei seinem Werk.

 

Hat man bereits 12 Punkte auf dem Konto, fällt die Beurteilung derselben Situation weniger Eindeutig aus. Der eine fehlende Punkt kann mit mehreren gelegten Kugeln ebenso wahrscheinlich erziehlt werden, wie durch einen zunächst erfolgenden Angriff auf A, der immerhin ja auch scheitern kann.


Der Schrotschuss - Um einen Treffer zu setzen, muss nicht jede Kugel ihr Ziel finden
Der Schrotschuss - Um einen Treffer zu setzen, muss nicht jede Kugel ihr Ziel finden

Hier ist es hilfreich, sich die Zwienatur der Herausforderung vor Augen zu führen, und fortan kühl und konsequent eine der Optionen zu ergreifen: Einerseits soll gepunktet und das Spiel sofort siegreich beendet werden. Dabei darf berechtigterweise auf das "Schrotschussprinzip" gesetzt werden – von mehreren gelegten Kugeln wird vermutlich eine ihr Ziel finden. Andererseits ist es sinnvoll, gemäß der eingenommenen Rolle – der des Schützen – fortzufahren, den eigenen Spielfluss nicht zu unterbrechen und durch einen erfolgreichen Angriff die Chance der nachfolgenden Kugeln zu vergrößern.

 

Die Entscheidung kann selbstverständlich nur anhand der konkreten Situation getroffen werden, sie ist abhängig von den bisher gezeigten Leistungen, der überwiegend ausgeübten Spielweise, den Bodenverhältnissen, dem Kugelbild und einigem mehr. Erfahrung und Empathie kommen hier zu ihrem Recht. 

 

Ob die getroffene Entscheidung richtig war, wird man gleich nach der Aufnahme wissen; dass eine bestimmte Herangehensweise falsch ist, steht hingehen schon vorher fest: Gänzlich verfehlt ist es nämlich, in hektisches Diskutieren auszubrechen, eine Atmosphäre des Drucks oder der Anspannung aufzubauen, über Gebühr Erwägungen anzustellen oder gar einen Spieler zu überreden, entgegen seiner inneren Überzeugung oder dem bisher Bewährten zu handeln. Wo sich taktisch keine Alternative aufdrängt, kommt es allein auf das Gelingen der Tat an. Wer sich seine Entschlossenheit bewahrt und nicht durch die Wahlmöglichkeit ins Straucheln bringen lässt, wird auch den Matchpunkt verwandeln, denn besonders für die letzte Kugel gilt: Was beherzt geschieht, ist meist erfolgreich; was erfolgreich ist, das ist auch richtig.

 

Thorsten


[1] Gemeinhin sollte der Raumgewinn Vorrang genießen, damit möglichst viele Punkte erzielt werden können (siehe beispielsweise: Leergespielt). Geht es jedoch nur noch um einen einzigen Punkt, besteht eine spezielle Situation, denn der eigentliche Zweck des Raumgewinnes ist nun entfallen.


Bild / Türen: von Arek Socha auf Pixabay

Bild / Schrotmunition  von Jörg Prohaszka auf Pixabay