Innere Linie und simultaner Angriff


"Innere Linie" - Friedrich II wusste um ihre Vorteile
"Innere Linie" - Friedrich II wusste um ihre Vorteile

 

 

„Wer nicht warten kann, muß laufen.“

Volksmund

 

Im „Siebenjährigen Krieg“ gelang es der preußischen Armee immer wieder, einer bei weitem überlegenen Koalition bestehend aus Russland, Österreich, Frankreich und Schweden zu widerstehen. Ursache hierfür war ein flexibles Vorgehen, wodurch es gelang, die Gegner nacheinander zu bekämpfen und so deren Überlegenheit nicht zum Tragen kommen zu lassen. Preußen konnte die Vorteile der „Inneren Linie“ für sich nutzen. Die „Innere Linie“ ist ein Begriff aus dem Bereich der militärischen Strategie. Es lohnt sich, die Funktionswiese zu verstehen, da sie universell anwendbar ist.

 

 

In einem militärischen Konflikt wird meist derjenige eine defensive Position einnehmen, dessen Kräfte dem Gegner unterlegen sind. Gelingt es dem überlegenen Gegner jedoch nicht, seine Kräfte an einem Punkt zu konzentrieren, greift er also aus mehreren Richtungen und zeitlich unkoordiniert an, so bietet sich dem Verteidiger die Möglichkeit, dieses zu seinem Vorteil zu nutzen. Er kann mit seinen insgesamt unterlegenen Kräften an einem bestimmten Punkt eine relative Überlegenheit herstellen, den Gegner dort schlagen, die siegreichen Kräfte schnell zu einem weiteren Punkt verlegen und auch dort mit einer relativen Kräfteüberlegenheit gewinnen. Dieses Vorgehen, also das zeitlich gestaffelte Herstellen lokaler Überlegenheit, bezeichnet man als „Operieren auf der inneren Linie“. Man macht sich den Umstand zu nutze, dass die eigene Position einen flexibleren Kräfteeinsatz ermöglicht als die des Gegners.

 

Dieses Manöver gelingt dann nicht, wenn der Gegner mit seinen Kräften simultan angreift. In diesem Fall kommt dessen absolute Kräfteüberlegenheit voll zum tragen.

Simultaner Angriff“ und „Innere Linie“ sind also Begriffe, die Handlungsoptionen bei Über- bzw. Unterlegenheit beschreiben.

 

Es ist möglich, diese Begrifflichkeit auch beim Pétanque anzuwenden. Einerseits kann so Klarheit über die strategische Situation gewonnen werden, andererseits kann man innerhalb des Teams sehr schnell verdeutlichen, wie vorgegangen werden soll.

Beim Pétanque kommt es vor, dass nicht alle Spieler einer Mannschaft zur selben Zeit gut spielen. Es kann sein, dass Spieler ein Team bilden, die ohnehin ein unterschiedliches Leistungsniveau haben, oder die Mitspieler durchleben abwechselnd kleinere Schwächephasen.

 

Legt beispielsweise der Leger recht unstet, so ist es für den Schützen ratsam, tendenziell mit seinen Schüssen so lange zu warten, wie es irgend vertretbar ist. Das ist besonders sinnvoll, wenn der Schütze ein flexibler Spieler ist. Er kann dann warten und den Schwerpunkt dort bilden, wo es unbedingt nötig ist. Dieses Abwarten kann man auch als „Operieren auf der inneren Linie“ ansehen. Es ist das Ziel, aus der Defensive heraus Schwerpunkte zu bilden. Ein solches Vorgehen wird auch häufig in der Frühphase eines Spieles gewählt, wenn man sich über die genauen Gegebenheiten und Stärkeverhältnisse noch im Unklaren ist.

 

Dem entgegen steht ein Vorgehen, bei dem der starke Spieler sofort aktiv wird, um Druck auszuüben. Er vertraut dann darauf, dass der Partner ebenfalls starke Kugeln spielen wird. Gelingt dieses, so kann man von einem „simultanen Angriff“ sprechen. Dieses Handeln geschieht aus einer Position der Stärke heraus. Es ist ein Spiel, wie wir es bei Meistermannschaften bewundern. Natürlich ist das anzustreben. Sind die Voraussetzungen für ein offensives Spiel aber nicht geben, muss eben Klugheit die Stärke ersetzen.

 

Wer das Spiel richtig zu lesen vermag, der wird aus beiden Möglichkeiten die richtige auswählen können. Die genaue Kenntnis beider Prinzipien wird es ihm ermöglichen, dem Spiel die richtige strategische Ausrichtung zu geben.

 

Es ist von Vorteil, wenn innerhalb der Mannschaft über die hier diskutierten Fragen Klarheit besteht. Besser man spielt in dem Bewusstsein, einem klassischen und bewährten Masterplan zu folgen, als sich gegenseitig und ungerechtfertigt der Zögerlichkeit zu verdächtigen.

 

Man bedenke aber, dass es sich hierbei um eine strategische Ausrichtung handelt. Es soll also nur die richtige Grundtendenz des Vorgehens innerhalb des Spieles gefunden werden. Die sich innerhalb einzelner Aufnahmen ergebenden Situationen können jedoch durchaus ein abweichendes Verhalten erfordern.

 

Thorsten


Bild von Jens auf Pixabay