Kugelpositionen


davor (devant)

Pètanque Tipps und Tricks: Die Kugel davor (devant)

 

Im Pétanque punkten Kugeln, die näher am Schwein liegen als die des Gegners. Selbstverständlich hat daher der Wettstreit im Legen seinen wesentlicher Anteil am Spiel. Dabei geht es jedoch nicht nur darum, sich möglichst nahe am Cochonnet zu positionieren. Vielmehr gilt es, eine solide Stellung zu finden, welche des Gegners Aktionen bestmöglich zu behindern vermag. Konkret gesagt, soll der Weg zwischen Kreis und Schwein mit eigenen Kugeln besetzt werden. Diese Kugeln liegen im Weg und stören den Gegner bei seinem Handeln. Zudem verbessern sie ihre Position, sobald sie angespielt werden.

 

Legt ein Spieler seine Kugel solcherart vor das Schwein, wird das nicht selten mit einem knappen „devant“ (davor) gelobt. Das geschieht auch dann, wenn die Kugel sehr weit vor dem „Cochonnet“ platziert wird. Dabei handelt es sich jedoch nicht um Ironie oder milden Trost, denn diese Kugel kann immer noch des Gegners Donnée blockieren oder ihn psychologisch beeinträchtigen. 

 

Wird in einer Aufnahme die erste Kugel extrem nah an die Zielkugel gelegt, so zeugt das zwar von Spielkunst und setzt Kontrahenten gehörig unter Druck. Ein guter Schütze kann sie jedoch leicht entfernen; ein Leger sie anspielen und verdrängen. In jedem Falle bleibt der Weg zur Sau dabei weiterhin frei. Der Gegner wird seinen Vorteil daraus ziehen, kommt man ihm nicht zuvor.

 

Über das Gesagte hinaus, hat das Spielen von "Devantkugeln" Aspekte, die das Mannschaftsspiel betreffen: Mit einer Kugel "davor" bringt ein Leger seinen Schützen erst richtig ins Spiel. Durch sie können zwei Spieler gemeinsam um die Punkte kämpfen, anstatt einfach nur nacheinander zu versuchen, den Punkt für sich selbst zu erringen (siehe hierzu: Überambitioniertes Legen).   

 

„Was den Gegner dazu bewegt, sich zu nähern, ist die Aussicht auf Vorteil.

         Was den Gegner vom Kommen abhält, ist die Aussicht auf Schaden.“

 

                                                                                     Sunzi 

 


dahinter (arrière)


 

Beim Pétanque werden Kugeln, die sich vor dem Schweinchen befinden, zwar außerordentlich geschätzt, doch gibt es auch hier eine Ausnahme von der Regel: Im Spiel kommt es nämlich immer wieder zu überraschenden Verlagerungen des Spielgeschehens. Das Cochonnet ist schließlich rund und kann – absichtlich oder per Zufall – leicht bewegt werden. Hierdurch werden bislang gut positionierte Kugeln entwertet und es kann an anderer Stelle üppig gepunktet werden. Eine "durchgelegte" Kugel, stellt eine  Rückversicherung dar, wenn man sich in erheblichem "Kugelnachteilbefindet, denn die Gefahr, die mit einer Schwerpunktverlagerung einhergeht, wächst, wenn ohne zu punkten gelegt wird. Mit den bereits gespielten Kugeln hat man sich dann buchstäblich festgelegt. Ebenso kann eine allzu perfekte letzte Kugel schlimme Folgen zeitigen, sofern sie das Schwein berührt. Der obligatorische Schuss verändert dann zwangsläufig die Cochonnetpositon. 

 

Schweinchen sind rund und können im Spiel auf Wanderschaft gehen, das gilt es zu bedenken. Glücklich, wer dann auch im rückwärtigen Raum vertreten ist. 

 

Meist gelangen Kugeln zwar in ausreichender Zahl dorthin – sei es infolge notorischen Durchlegens oder aufgrund der Effekte diverser Schüsse. Um aber nicht eigens eine Kugel in den "Rückraum" legen zu müssen, empfiehlt sich das Folgende: Beizeiten wähle man eine Wurfvariante, die bei Misslingen das Hinterland okkupiert. Eine solche Kugel mit eingebautem Plan-B (mutig legen und Durchlegen riskieren), muss rechtzeitig gespielt werden und kann vor großem Schaden bewahren.


daneben (bâtard)

Wenn beim Pétanque einmal das Wort "Bastard" fällt, sollten die Fäuste lieber (zunächst) in der Tasche bleiben, denn nur selten ist damit der Spieler gemeint, der soeben eine Kugel neben dem Cochonnet plazierte. "Bastard" bezeichnet vielmehr die Kugel selbst. Diese Benennung wird gebraucht, wenn eine Kugel neben der Sau liegt und sie subjektiv so eingeschätzt wird, als könne leicht besser gelegt werden, dieses aber objektiv nicht der Fall ist.

Der Begriff stammt natürlich aus dem französischen Pétanque. Seine genaue Herkunft ist jedoch umstritten. Gemeinhin bezeichnet "Bastard" den außerehelichen Spross eines Adligen, was früher weniger unfreundlich gemeint war, als es heute klingt – immerhin teils edlen Geblüts obgleich nicht offiziell anerkannt. 

 

So ist denn der "Bastard"  im Pétanque eine Kugel, die weder davor noch dahinter liegt, die weder klar gut noch klar schlecht positioniert ist, die weder eindeutig geschossen werden muss noch das Legen erzwingt. Alles bleibt so ein wenig im Vagen. Die "Bastardsituation" wird selten bewusst herbeigeführt; sie ereignet sich einfach. Die Herausforderung liegt darin, sie möglichst rechtzeitig als solche zu erkennen.

 

Wie wirkt sich nun ein "Bastard" im Spiel aus?

 

Schütze:

Der "Bastard" lässt einen Schützen daran zweifeln, ob er seine kostbare Kunst überhaupt an eine solche Kugel verschwenden soll, die weder "zwingend" ist, noch "devant" liegt. Bekanntlich ist, von alters her, der Zweifel der größte Feind des Tireurs. Ein grübelnder Schütze, der ob seines Haderns eine Kugel verfehlt, die er eigentlich nicht angreifen wollte, kann einem schon leid tun. So fangen Krisen an!

 

Leger:

Beim Versuch, Besseres als den "Bastard" zu legen, sieht der Gegner natürlich genau, welche Wege nicht zum Ziel führen – ein unschätzbarer Vorteil. Besonders bitter wird es, wenn erst mit der letzten Kugel die Lösung gefunden und somit enthüllt wird. Ein guter Schuss und es kann richtig teuer werden.

 

Mannschaft:

Ein "Bastard" ist eine Herausforderung an die mannschaftliche Harmonie. Eingespielte Teams, die zu effizienter Entscheidungsfindung fähig sind, haben Vorteile. Lange Diskussionen führen immer dazu, dass die beim Palaver unterlegene Partei ihre Mininiederlage erst verarbeiten muss. Das kann sich dann auch noch in künftigen Aufnahmen negativ bemerkbar machen.

 

So zwingen "Bastarde" die Spieler zu Aufmerksamkeit und Teamplay. Eine aufmerksame Mannschaft, die den Wert einer vermeintlich schlechten Kugel erkennt und der es gelingt, den Entschluss zu deren Beseitigung ohne operettenhafte Szenen zu fassen, muss "Bastarde" nicht fürchten.

 

Thorsten


Ergänzung: In einem Film erklärt Bundestrainer und Buchautor Daniel Dias, welche Fehler sich einstellen können, wenn man sich entschließt, eine "Devant-Kugel" zu umspielen und wie man diesen Spielzug richtig ausführt. Siehe: https://www.youtube.com/watch?v=sLJqM_5Bzso

Die hier aufgezeigte Methode, den Punkt seitlich zu suchen, um es zu vermeiden, die gegnerische Kugel duch Anspielen noch zu verbessern, entspricht der im Boulelexion als "Billigende Inkaufnahme" bezeichneten Spielweise. Danach wird nicht auf Biegen und Brechen versucht, den Punkt zu erzielen, sondern so gespielt, dass es zwar möglich ist, diesen zu erzielen, dabei aber darauf geachtet wird, den dabei drohenden Schaden möglichst gering zu halten.

Befindet man sich jedoch bei seiner Aktion bereits in hohem Kugelnachteil, ist es eine Überlegung wert, die Nähe der Devant-Kugel bewusst zu suchen, denn der zu erwartende Schuss des Gegners birgt dann immer die Gefahr, die eigene Kugel versehentlich zu entfernen.

 

Weiterhin beschäftigt sich der Artikel "Wohin mit der Ersten?" mit der hier behandelten Situation.