Hinweise, Ratschläge, Belehrungen


WER MICH KORREKTERWEISE KRITISIERT, IST MEIN LEHRER.

WER MIR FÄLSCHLICH SCHMEICHELT, IST MEIN FEIND.

                                                                                           Sunzi (um 500 v. Chr.)


 

Die Weitergabe von Informationen ist im Pètanque ein heikler Punkt - aber sicher nicht nur dort. Schon die Einordnung dieses Artikels bereitet Schwierigkeiten. Mit einiger Berechtigung könnte er auch in der Rubrik "Entwicklung" auftauchen, denn schließlich ist ja der Sinn jeglichen Rates die Leistungsverbesserung. Andererseits wäre auch die Rubrik "Stil & Ethik" geeignet, denn mit Ratschlägen werden bei Spielern sehr schnell Grenzen verletzt. Es wurde schließlich die Rubrik "Mannschaft & Kommunikation" gewählt, weil mit der Art und Weise des Ratgebens Fragen der Gesprächskultur innerhalb der Gruppe und sogar ihres Zusammenhaltes berührt werden.

 

Mit wenig anderem kann ein Spieler so schnell in Fettnäpfe treten, wie mit der Weitergabe von Rat. Der Empfänger kann dieses leicht als Bevormundung auffassen oder darin eine Anmaßung sehen.

Steht der Ratgeber in der Spielerfahrung weit über dem Empfänger, kann es geschehen, dass sich dieser durch die Hinweise eingeengt fühlt und meint, hinfort den Erläuterungen entsprechen zu müssen. Hierdurch wird eine Art Schüler-Lehrer-Verhältnis geschaffen in dem sich der Schüler beobachtet und bewertet fühlt, was der Lockerheit abträglich ist.

Dürfen sich Ratgeber und Empfänger als Gleichrangig betrachtet, so wird Rat schnell als Anmaßung verstanden oder als Missachtung der Leistungen und Kenntnisse des Belehrten interpretiert.

 

Es liegt also auf der Hand, dass Ratschläge dazu geeignet sind, gutes Einvernehmen innerhalb einer Mannschaft nachhaltig zu zerstören. Sie bewirken dann das Gegenteil ihrer Zielsetzung - eine erhebliche Leistungsverschlechterung.

 

 „Wo Worte selten, haben sie Gewicht.“

                                      Shakespeare „Richard II.“, zweiter Akt, zweite Szene

 

Ist es daher ratsam, auf Ratschläge zu verzichten, soll sich ein erfahrener Spieler jeglicher Hinweise enthalten und darauf bauen, der Mitspieler werde selbst erkennen, was das Beste sei?

 

Überlegung: Zwei befreundete Wanderer treffen sich zufällig im Wald. Nachdem sie einander ihre Ziele genannt haben, ist einem der beiden klar, dass der andere sich auf falscher Route befindet. Irgendwo ist er falsch abgebogen und bewegt sich nun auf einem Kurs, der ihn allenfalls auf weiten Umwegen seinem Ziele zuführen wird. Soll nun der Wissende diese Information verschweigen? Wäre der Unwissende nicht bei einem abermaligen Treffen zu Recht darüber empört, dass dieser ihn sehenden Auges auf dem Irrweg beließ? Ist das Verschweigen von Kenntnissen - sozial betrachtet - nicht das größere Übel, weil damit eine Interesselosigkeit an des anderen Entwicklung zum Ausdruck kommt? Sicherlich darf man darauf vertrauen, dass Spielern Fehler von allein ins Bewusstsein dringen und sie Lösungen zu ihrer Beseitigung finden. Warum aber soll jeder immer wieder bei Null anfangen müssen?

  

 

Pétanque / Boule - Tipps & Tricks - Rat - Kommunikation / Boulelexikon
Zwei alte Grenzsteine unter sich: Abseits des Geschehens rät es sich am besten.

Eines ist sicher: Nur willkommene Ratschläge können fruchten. Es kommt darauf an, eine Gesprächskultur zu pflegen, die kollegial ist und in der das Forschen im Vordergrund steht. Pétanque bietet immer wieder Anlass, geteilter Meinung zu sein; es ist ein komplexes Spiel. Technik, Taktik und Psychologie spielen eine große Rolle und durchdringen einander. Da ist es sinnvoll, eine Haltung einzunehmen, die Forschern geziemt. Die eigene Meinung ist immer nur eine These, die es nicht zu verschweigen, sondern zu diskutieren gilt und die argumentativ unterfüttert werden muss. Einer These kann jederzeit durch eine Antithese widersprochen werden. So kann es im Wettstreit der Argumente zu beiderseitigem Erkenntnisfortschritt kommen.

 

Spieler, die sich zum Ratgeben berufen fühlen, sind gut beraten, selbst auch um Rat zu fragen. So geben sie ein Beispiel und dokumentieren die Natürlichkeit des notwendigen Vorganges, einander beim Lernen zu helfen. Sie zeigen damit freilich auch die Demut, die eine wichtige Stufe zur Meisterschaft darstellt. Meisterschaft liegt nicht im Irrglauben, auf jede Frage eine Antwort zu besitzen, sondern im Wissen um die eigene Unzulänglichkeit und dem souveränen Umgang damit.

 

"Ein bestimmter Mann kam zu mir, um in Bezug auf einige amtliche Dokumente um Rat zu fragen. Dieser Mann ist jemand, der besser als ich weiß, wie man einen Text in Form bringen und vollenden kann. Dass er dennoch jemanden bittet, seinen Text zu korrigieren, zeigt, dass er anderen gegenüber überlegen ist und eine Stufe über ihnen steht."

  

Tsunetomo Yamamoto / Hagakure

 

 

Thorsten


Bild:

Grenzsteine halten Rat in der Waldesruhe nahe Alt Wallmoden.