Einspielen


So viel von unserer Zeit ist Vorbereitung, so viel ist Schlendrian und so viel Zurückblicken, daß die geistige Schöpferkraft jedes Menschen auf sehr wenige Stunden zusammenschrumpft.

Ralph Waldo Emerson (1803 - 1882)


 

Pétanque kann solo trainiert werden, meist wird man sich jedoch mit anderen Spielern treffen und einfach spielen, denn stundenlanges und konzentriertes Üben ist nicht jedermanns Fall. Das Einspielen vor dem Spiel bietet hingegen eine gute Möglichkeit für ein Training "en passant". Ebenso ist es ein gutes Mittel, das rechte Körpergefühl in sich wachzurufen. 


Stellen wir einmal folgende Überlegung an:  

Ein Spieler, der 3 mal pro Woche spielt und 15 Minuten vor Spielbeginn erscheint, hat, sofern er diese Zeit zum Training von Schüssen nutzt, am Ende des Jahres 39 Stunden geschossen. Das sind 140400 Sekunden! Sofern er jede 14. Sekunde einen Schuss abgibt - was durchaus realistisch ist - so hat er in dieser Zeit 10029 Schüsse geübt.


Ansteigender Trend - wichtiger als kurzfristiger Erfolg
Ansteigender Trend - wichtiger als kurzfristiger Erfolg

Schießen kann nur durch schießen erlernt werden, je häufiger desto besser. Im Spiel kommen Anfänger aber selten dazu, weil die Erfolgsaussichten zu gering sind und es immer jemanden gibt, der es besser kann.

 

Ein Spieler, der sich wie oben beschrieben einspielt, wird sich dennoch durch das Einspielen nach einiger Zeit deutlich verbessern und das, ohne sich sonderlich zu mühen. Er wird dann auch im Spiel erfolgreicher schießen, hierdurch häufiger als Tireur eingesetzt werden und so noch mehr Praxis erlangen. Hätte er auch die Disziplin aufgebracht, Woche für Woche die selbe Stundenzahl alleine zu trainieren?

 

Neben diesem Trainingseffekt ist das Einspielen natürlich ein probates Mittel, die Lockerheit zu gewinnen, derer man im Spiel dringend bedarf. Auf diesen wichtigen Aspekt geht sehr anschaulich ein Video ein, das vom Trainer und Buchautor Daniel Dias veröffentlicht wurde. Ausführlich wird gezeigt, worauf es ankommt: Nicht, perfekte Würfe zu produzieren, sondern im Handeln das eigene, vertraute Kugelgefühl zu finden, mit dem sich dann später das Spiel bestehen lässt.

 

https://www.youtube.com/watch?v=Mxn754vpYBc

 

Bestimmte - meist sehr erfahrene - Spieler verspüren keine Notwendigkeit, sich einzuspielen, vielmehr können sie sofort gute Leistungen abrufen. Offensichtlich haben sie ihre idealen Bewegungsmuster so vollständig abgespeichert, dass sie diese auch ohne langes Herumprobieren sofort finden können. Genau darum geht es beim Training: Gute Bewegungen finden, diese abspeichern und sie mühelos wieder hervorrufen können, wenn sie gebraucht werden. Der Wurf existiert bereits vor seiner Ausführung als inneres Abbild. Geschieht es also, dass auch ohne Einspielphase die Kugeln den eigenen Wünschen gehorchen, ist man auf dem rechten Wege. Gleichwohl, und selbst wenn man grundsätzlich über diese Fähigkeit verfügt, wird man aus dem Einspielen Vorteile ziehen können, und sei es nur, sich jenes gute Gefühl zu geben, vor einer wichtigen Partie alles Nötige getan zu haben.

 

Thorsten


Nachbemerkung: Das Solotraining gilt zu Unrecht als dröge. Wenn einmal kein Wettbewerb herrscht, nichts bewiesen werden muss oder erstrebt wird, die Kugeln unbeobachtet einfach fliegen, stellt sich eine eigene Faszination ein, die unserem Sport im Verborgenen innewohnt. Dann entwickelt sich nach einiger Zeit des Werfens eine meditative Stimmung und plötzlich gelingen Dinge, derer man sich nie für fähig hielt. Man muss das einmal selbst erlebt haben.


Ergänzung zum Solotraining: Der Tennistrainer und Buchautor W. Timothy Gallwey hebt in seinem Buch "Tennis - Das Innere Spiel" [1] hervor, wie bedeutend es für das Lernen ist, Entdeckungen selbst zu machen, also das persönliche Bewegungsgefühl durch ausprobieren zu schulen. Im Pétanque ist das Solotraining - mehr noch als im Tennis - dazu geeignet, alles nur Erdenkliche in Ruhe auszuprobieren. Wer sich hierfür Zeit nimmt, ohne Druck experimentiert, sich selbst beobachtet und so den Blick dafür schult, wie Teilbewegungen schließlich ein Ganzes bilden, der wird unweigerlich Fortschritte machen. 

 

[1] Mit diesem bedeutenden Buch beschäftigt sich ein eigener Artikel. Zu recht ist es vielgelesen, seine Aussagen sind auf viele Sportarten und auch über den Sport hinaus anwendbar: "Das innere Spiel


Ein Meister findet ins Spiel: 

Wie wichtig es ist, sein Körpergefühl vor dem Spiel zu finden, geht aus einem Interview des Deutschen Meisters – Triplette: Florian Korsch hervor, der über sein Vorgehen spricht:

 

„Beim Einspielen sind meine ersten 3-6 Kugeln immer Portées ohne konkretes Ziel (z.B. nah an das Schweinchen zu legen). Mir ist dabei wichtig, dass das Handgelenk warm wird. Danach passe ich den Wurf dem Platz an.
Im Spiel setze ich zu Beginn sehr viel Konzentration in die allererste Kugel. Wenn ich merke, dass das Gefühl beim Loslassen der Kugel gut ist, weiß ich, dass das auch für den Rest des Spiels gut sein wird. Das Ergebnis der Kugel ist dafür jedoch nicht entscheidend."

 

Nachzulesen ist das auf der Seite: Pétanque aktuell

 

 

Ähnliches wird auch im Boulelexikon an verschiedenen Stellen thematisiert, etwa in: Bewegungsorientierung/Zielorientierung oder Kugelgefühl oder Körpergefühl


Bild: Skulptur auf der Nordseeinsel Nordstrand.